Arbeitsrecht: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - Welchen Beweiswert hat die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung? Leistungswille der Beschäftigten?
Selbst wenn eine Arbeitnehmerin in einem Telefonat geäußert haben sollte, dass sie eine Vollzeittätigkeit wegen ihres Kindes nicht ausüben könne und möchte, so rechtfertigt dies nicht die Annahme eines fehlenden Arbeitswillens. Vielmehr ist diesbezüglich davon auszugehen, dass sie ihrem Teilzeitbegehren Nachdruck verleihen wollte. Daher ist im Krankheitsfall das Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt insoweit kein geringerer Beweiswert zu. So entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 29.09.2010 (Aktenzeichen: 8 Sa 226/10)
Worüber hat das Arbeitsgericht
entschieden?
Die Klägerin ist bei den beklagten Rechtsanwälten seit dem 01.07.2000 als Rechtsanwaltsfachangestellte beschäftigt. In der Zeit vom 20.01.2006 bis einschließlich 19.01.2009 befand sich die Klägerin in Elternzeit. Mit E-Mail vom 19.10.2008 wandte sich die Klägerin an den Beklagten zu 1. und bat um die Erteilung eines Arbeitszeugnisses sowie um Mitteilung, "wie es nach dem 20.01.2009 weitergehe". Diesbezüglich führten die Klägerin und der Beklagte zu 1. sodann ein Telefonat, dessen Gegenstand insbesondere die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit der Klägerin war.
Mit Schreiben vom 03.11.2008 teilte der Beklagte zu 1. der Klägerin mit, dass ihr ab dem 20.01.2009 der frühere Arbeitsplatz unverändert als Vollzeittätigkeit zur Verfügung stehe und eine Teilzeitarbeitsstelle aus betrieblichen Gründen nicht möglich sei. Am 10.11.2008 wurde sodann eine Schwangerschaft der Klägerin in der 8. Schwangerschaftswoche festgestellt. Die entsprechende ärztliche Bescheinigung, für welche die Klägerin 5,00 EUR bezahlen musste, wurde den Beklagten übersandt. Letztlich wandte sich die Klägerin mit E-Mail vom 16.12.2008 erneut an den Beklagten zu 1. und bat dabei u. a. um Mitteilung, ob eine Teilzeitbeschäftigung für die Zeit vom 20.01.2009 bis 10.05.2009 möglich sei. Dies wurde seitens der Beklagten unter Hinweis auf betriebliche Gründe abgelehnt.
Vom 20.01.2009 bis einschließlich 31.03.2009 war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben. Mit Schreiben vom 25.02.2009 kündigten die Beklagten das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.03.2009.
Einwand der Beklagten: Entgeltfortzahlung trotz fehlender Arbeitsbereitschaft?
Die Beklagten machen im Wesentlichen geltend, die Klägerin
habe keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für
den Zeitraum vom 20.01. bis 28.02.2009. Seitens der Klägerin
habe nämlich keine
Bereitschaft bestanden, ab dem 20.01.2009 in Vollzeit zu arbeiten. Dies
ergebe
sich aus den vorgetragenen und unstreitigen E-Mails der
Klägerin und dem Inhalt der mit ihr geführten
Telefonate.
Nachdem ihr Teilzeitbegehren abgelehnt worden sei, habe die Klägerin vorgezogen, sich ab dem 20.01.2009 krank schreiben zu lassen. Damit habe sie ihre mehrfach geäußerte Absicht, nicht mehr in Vollzeit zu arbeiten, umgesetzt.
Berufungsinstanz folgt dem erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichts?
Das erstinstanzliche Gericht gab der Klage der Arbeitnehmerin auf
Entgeltfortzahlung statt. Das Berufungsgericht folgt den
ausführlichen und sorgfältig dargestellten
Entscheidungsgründen
des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß
§
69 Abs. 2 ArbGG
ausdrücklich fest.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 EFZG für die Zeit vom 20.01. bis einschließlich 28.02.2009 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.978,57 EUR brutto. Die Klägerin war während des betreffenden Zeitraums unstreitig arbeitsunfähig krank geschrieben. Tatsachen, die den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern könnten, haben die Beklagten nicht vorgetragen. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit war auch die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung der Klägerin. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin leistungsunwillig war. Ernsthafte Zweifel am Leistungswillen der Klägerin ergeben sich weder aus dem Inhalt ihrer an den Beklagten zu 1. gerichteten E-Mails noch aus den seitens der Beklagten behaupteten Äußerungen der Klägerin im Rahmen eines Telefonats vom 10.11.2008. Selbst wenn die Klägerin in einem zwischen dem 18.10.2008 und dem 03.11.2008 mit dem Beklagten zu 1. geführten Telefonat geäußert haben sollte, dass sie eine Vollzeittätigkeit wegen ihres Kindes nicht ausüben könne und möchte, so rechtfertigt dies nicht die Annahme eines fehlenden Arbeitswillens. Vielmehr ist diesbezüglich zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass sie ihrem Teilzeitbegehren Nachdruck verleihen wollte. Dass die Klägerin für den Fall der Ablehnung ihres Wunsches, zukünftig in Teilzeit zu arbeiten, in irgendeiner Weise angekündigt hat, dann überhaupt nicht mehr zur Arbeit zu kommen, haben die Beklagten nicht behauptet. Darüber hinaus erfolgte das betreffende Telefonat - worauf bereits das Arbeitsgericht in seinen Entscheidungsgründen zutreffend hingewiesen hat - über 2 ½ Monate vor Ablauf der Elternzeit. Schon aufgrund dieses längeren zeitlichen Abstandes bis zum tatsächlichen Arbeitsbeginn kann der Klägerin nicht unterstellt werden, dass sie entschlossen war, ab dem 20.01.2008 wegen der Ablehnung des Teilzeitbegehrens überhaupt nicht mehr bei den Beklagten zu arbeiten. Auch aus der E-Mail der Klägerin vom 16.12.2008 lässt sich eine fehlende Leistungsbereitschaft nicht herleiten. In der betreffenden E-Mail hat die Klägerin lediglich um Mitteilung gebeten, ob eine Teilzeitbeschäftigung für den Zeitraum vom 20.01. bis 10.05.2009 möglich sei. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es vor dem Hintergrund der erneuten Schwangerschaft der Klägerin, wie in der E-Mail vom 16.12.2008 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, bezüglich der begehrten Teilzeitbeschäftigung nur noch um einen relativ kurzen Zeitraum von etwas mehr als drei Monaten ging. Die Behauptung der Klägerin, sie hätte während dieses Zeitraums notfalls auch eine Vollzeittätigkeit ausgeübt, erscheint von daher nachvollziehbar und plausibel.