Kündigung nach Beleidigung des Arbeitgebers durch Betätigung des "gefällt-mir-Buttons" bei Facebook
Die Betätigung des "gefällt-mir"-Button auf der Internetseite "Facebook" zur Bestätigung einer den Arbeitgeber beleidigenden Äußerung kann - ggf. nach vorheriger Abmahnung - die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. So entschied das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau am 21.03.2012 (Aktenzeichen: 1 Ca 148/11).
Beleidigungen auf Facebook durch Ehemann der Klägerin
Die 1969 geborene Klägerin ist seit 1987 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Sparkassenangestellte beschäftigt. Mit Schreiben im Jahre 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise fristgemäß. „Höchstvorsorglich“ kündigte sie das Arbeitsverhältnis im gleichen Schreiben zudem außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin im Wege der Verdachtskündigung.
Den Kündigungen liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Ehemann der Klägerin „postete“ auf seiner Internetseite bei dem sozialen Netzwerk „Facebook“ folgende Eintragungen:
„Hab gerade mein Sparkassen-Schwein auf R.-T. getauft“ ... „Naja, irgendwann stehen alle Schweine vor einem Metzger“. R. und T. sind die Vornamen der Vorstände der Beklagten. Der Ehemann der Klägerin veröffentlichte auf dieser Seite zudem eine piktographische Fischdarstellung, bei der das Mittelstück des Fisches durch das Sparkassensymbol dargestellt ist. Neben dem Piktogramm befand sich die Anmerkung „Unser Fisch stinkt vom Kopf“. Die Facebook-Seite des Ehemannes der Klägerin war für 155 „Freunde“, u.a. auch zahlreiche Mitarbeiter und Kunden der Beklagten, einsehbar. Unter dem Fischpiktogramm befand sich mit dem Kommentar „gefällt mir“ der Name der Klägerin.
Mit ihrer bei dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigungen der Beklagten. Sie meint, Gründe, die die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben. Die fristgemäße Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt.
Beleidigung durch Drücken des Gefällt-mir-buttons ?
Die Klägerin behauptet, den „Gefällt-mir-Button“ unter dem Fisch-Piktogramm auf der Facebook-Seite ihres Ehemannes habe nicht sie selbst sondern möglicherweise ihr Ehemann betätigt. Dazu sei er in der Lage, da sie ihren jetzigen alleinigen Account bis ins Jahre 2011 mit ihrem Ehemann gemeinsam genutzt habe und dieser auch weiterhin über den inzwischen nur noch von der Klägerin genutzten Account Kommentare unter dem Namen der Klägerin bei Facebook abgeben könne. Ihr Ehemann habe sowohl das Fisch-Piktogramm als auch den Eintrag, sein Sparkassenschwein „R.-T.“ getauft zu haben, ohne Wissen und Billigung der Klägerin auf seiner Facebook–Seite veröffentlicht. Die Zuordnung des Doppelvornamens auf die beiden Vorstände der beklagten Sparkasse sei für einen objektiven Dritten allerdings nicht möglich. Das Fisch-Piktogramm stelle nur eine allgemein gehaltene Satire in Bezug auf das bekannte Markenzeichen der Sparkasse ohne nähere Individualisierbarkeit einer konkreten Institution oder einer natürlichen Person dar.
Die Beklagte meint, das Fischpiktogramm stelle einen Angriff
auf das Ansehen der Sparkasse und damit eine Beleidigung der Beklagten
dar, welche sich die Klägerin („gefällt
mir“) zu eigen gemacht habe. Durch ihre Stellungnahme habe
die Klägerin die dadurch entstandene erhebliche
Erschütterung des Vertrauensverhältnisses
gegenüber der Beklagten zudem nicht ausgeräumt
sondern noch vertieft, da sie die Äußerungen ihres
Ehegatten nicht bedauert sondern mit nicht nachvollziehbaren
Auslegungsversuchen bagatellisiert und damit gebilligt habe. Sie habe
weder glaubhaft erklärt, die Eintragung
„gefällt mir“ nicht selbst vorgenommen zu
haben, noch sich eindeutig von den Äußerungen ihres
Ehemannes distanziert, so dass sich der Verdacht erhärte, dass
sie über die Aktivitäten ihres Ehemannes informiert
gewesen sei und diese befürwortet habe. Die Kündigung
sei daher hilfsweise als Verdachtskündigung
begründet. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei –
insbesondere im Hinblick auf das besondere Tätigkeitsfeld der
Klägerin – nicht mehr möglich.
Arbeitsgericht: Kündigungen unwirksam
Das Gericht entschied: Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigungen der Beklagten vom nicht fristlos beendet worden.
Soweit die Beklagte die fristlose Kündigung auf die von dem Ehemann der Klägerin bei Facebook „geposteten“ Erklärungen („Unser Fisch stinkt vom Kopf“ und „Ich habe mein Sparkassen-Schwein R.-T. getauft“) stützt, sind diese Aktivitäten ihres Ehemannes nicht geeignet, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zu rechtfertigen, da die Klägerin grundsätzlich keine Verantwortung für von ihrem Ehemann abgegebene Stellungnahmen trägt. Die Klägerin könnte aus dem Arbeitsverhältnis allenfalls eine Pflicht treffen, auf ihren Ehemann mit der Maßgabe einzuwirken, Äußerungen zu unterlassen, die das Unternehmen ihres Arbeitgebers schädigen. Eine derartige Pflichtverletzung steht vorliegend jedoch nicht in Rede, da die fraglichen Facebook-Einträge, nachdem die Klägerin mit ihnen konfrontiert worden war, unmittelbar von der Internetseite ihres Ehemannes entfernt wurden und zu vermuten ist, dass die Klägerin ihre Löschung veranlasst hat. Eine Pflichtverletzung ist ihr in diesem Zusammenhang nicht zur Last zu legen.
Auch der Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe unter dem Fisch-Piktogramm der Beklagten („Unser Fisch stinkt vom Kopf“) auf der Facebook-Seite ihres Ehemannes den „Gefällt-mir“-Button gedrückt, rechtfertigt die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses weder als Tat- noch als Verdachtskündigung. Soweit die Beklagte behauptet, nicht ihr Ehemann sondern die Klägerin selbst habe den „Gefällt-mir“-Button betätigt, hat die Beklagte diese von der Klägerin bestrittene Behauptung nicht unter Beweis gestellt. Da sie für das Vorliegen des Kündigungsgrundes die Beweislast trifft, geht das fehlende Beweisangebot zu ihren Lasten, so dass die Beklagte die Tatkündigung mit diesem Vorwurf nicht begründen kann.
Dass die Klägerin den „Gefällt-mir-Button“ möglicherweise selber gedrückt haben könnte, rechtfertigt auch nicht den Ausspruch einer fristlosen Verdachtskündigung. Diese ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn sich ein dringender Verdacht aus objektiven, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegenden Umständen ergibt und die überwiegende Wahrscheinlichkeit begründet, der Verdächtige habe die Pflichtwidrigkeit begangen. Bloße, auf Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dafür nicht aus.
Diesen Anforderungen einer Verdachtskündigung hält der Vortrag der Beklagten nicht stand. Soweit die Beklagte die Verdachtskündigung damit begründet, die Klägerin habe den „Gefällt-mir-Button“ selber betätigt, da er über ihren Account ausgelöst worden sei, hat die Klägerin diesen Verdacht durch die unwidersprochene Darlegung entkräftet, auch ihr Ehemann habe Zugang zu ihrer Facebook-Seite und habe den Button betätigt. Soweit die Beklagte der Klägerin ferner vorwirft, sie habe sich in ihrer Stellungnahme vom 00.00.2011 nicht eindeutig von den Äußerungen ihres Ehemannes distanziert, so dass sich der Verdacht erhärte, dass sie über die Aktivitäten ihres Ehemannes informiert gewesen sei und diese befürwortet habe, begründet auch dies keinen dringenden Tatverdacht gegenüber der Klägerin, der die Verdachtskündigung rechtfertigen könnte.
Denn die Äußerungen der Klägerin in ihrer Stellungnahme bieten keinen hinreichenden Anlaß zu der Annahme, sie habe den „Gefällt-mir-Button“ selbst gedrückt. Dass die Klägerin sich nach Auffassung der Beklagten in dieser Stellungnahme verhalten ausdrückt und die (gegen ihren Ehemann erhobenen) Vorwürfe „bagatellisiert“, diente nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung dem Schutz ihres Ehemannes in Hinblick auf eine von der Beklagten angekündigte Strafverfolgung und ist ihr insoweit nicht vorzuwerfen. Ihre Äußerungen sind nicht geeignet, einen dringenden Tatverdacht zu Lasten der Klägerin zu begründen.
Unabhängig davon wäre es aber auch zweifelhaft, ob die in der Betätigung des „Gefällt-mir-Buttons“ liegende einmalige Pflichtverletzung geeignet wäre, die fristlose Kündigung des seit 25 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
Zwar wäre es als eine Loyalitätspflichtverletzung gegenüber der Beklagten anzusehen, wenn die Klägerin dem von ihrem Ehemann „geposteten“ Fischpiktogramm öffentlich zugestimmt hätte. Die Klägerin durfte nicht darauf vertrauen, dass einem über Facebook verbreiteten Statement der Charakter eines „vertraulichen Gespräches“ unter „Freunden“ oder Arbeitskollegen zukommen würde. Bei einer auf einer Internet-Plattform getätigten Aussage kann nicht von einer vertraulichen Kommunikation die Rede sein. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein „Posting“ über den öffentlichen oder den so genannten privaten Bereich erfolgt. Da ein Facebook-Nutzer immer mit einer „Veröffentlichung“ rechnen muss, auch wenn er über seinen privaten Facebook-Account abwertende Äußerungen verbreitet, und das Recht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG weder Formalbeleidigungen noch bloße Schmähungen schützt, wäre die öffentlich getätigte Äußerung „Unser Fisch stinkt vom Kopf“ nicht dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zuzuordnen und die öffentlich erklärte Zustimmung der Klägerin damit als Loyalitätspflichtverletzung gegenüber der Beklagten anzusehen.
Drücken des "Facebook-Button" rechtfertigt nur eine Abmahnung
Das Betätigen des „Gefällt-mir“-Buttons – wenn es der Klägerin nachzuweisen gewesen wäre – hätte damit allenfalls eine Abmahnung gerechtfertigt.
Dies gilt auch, soweit die Beklagte behauptet, ihr Vertrauen in die Klägerin sei durch die dargestellten Vorgänge tiefgreifend zerstört. Selbst wenn die Klägerin den fraglichen Button selber gedrückt hätte, wäre zu berücksichtigen, dass die Betätigung dieses Buttons bei Facebook-Nutzern in der Regel eine spontane Reaktion ohne nähere Überlegung darstellt und in ihrem Bedeutungsgehalt nicht zu hoch eingeschätzt werden sollte. Eine Rufschädigung der Beklagten oder ein Ansehensverlust dürfte durch die „Gefällt mir“-Kommentierung tatsächlich auch nicht eingetreten sein. Ob und inwieweit die möglicherweise kritische Einstellung der Klägerin zu den Vorständen der Beklagten geeignet wäre, die tägliche Arbeit der Klägerin in der noch verbleibenden Zeit bis zum 00.00.2012 konkret zu beeinträchtigen, ist den Ausführungen der Beklagten nicht zu entnehmen. Ohne derartige konkrete Gefährdungen oder Beeinträchtigungen ist der von den Vorständen der Beklagten empfundene Vertrauensverlust zur Begründung einer fristlosen Kündigung jedoch nicht geeignet.