Mietrecht: Cannabis-Anbau in einer Wohnung kann fristlose Kündigung des Vermieters rechtfertigen

Nach einem am 14.02.2012 ergangenen Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona (Az.: 316 C 275/11) ist im unerlaubten Anbau und Konsum von Cannabis unter Abwägung der Interessen von Vermieter und Mieter ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung zu sehen.

Cannabis-Anbau und Konsum des Untermieters

 

Seit dem 1. April 2009 hatte die Beklagte die Wohnung nach Auszug ihres Ehemannes 2009 untervermietet. Bis zu dreimal wöchentlich hält sie sich aber weiterhin in der streitgegenständlichen Wohnung auf. Nachdem die auf dem gleichen Flur gegenüber wohnende Mieterin mehrfach auf Marihuana-Geruch hingewiesen hatte, durchsuchte die Polizei mit richterlicher Genehmigung die Wohnung und transportierte mehrere Cannabispflanzen und zahlreiche für den Cannabisanbau bestimmte technische Geräte, u.a. Reflektorlampen, sowie verkaufsfertig verpacktes Marihuana, ab. 

Nachdem die Klägerin bereits zuvor aus anderen Gründen eine fristlose Kündigung des Mietvertrages ausgesprochen hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 25.7.2011 ohne vorherige Abmahnung erneut die fristlose Kündigung. Als Kündigungsgrund gab sie erhebliche Straftaten des Untermieters, nämlich monatelangen Cannabisanbau in der Wohnung in erheblichem Umfang, an. Der Untermieter zog aus. Die Beklagte räumte die Wohnung nicht. 

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe Kenntnis vom Drogenkonsum und -anbau ihres Untermieters gehabt. Sie hält die fristlose Kündigung gem. § 543 BGB für berechtigt, da durch das der Beklagten gem. § 540 Abs. 2 BGB zurechenbare strafbare Verhalten ihres Untermieters auch der Hausfrieden erheblich gestört sei. Die Klägerin ist zudem der Ansicht, das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und der Beklagten sei wegen jahrelanger Rechtsstreitigkeiten und ihres Auszugs aus der Wohnung zerrüttetet. Sie meint, eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen. Die Beklagte behauptet, während ihrer gelegentlichen Wohnungsbesuche keinen Marihuana-Geruch wahrgenommen zu haben.

Cannabis in einer Mietswohnung stellt einen wichtigen Grund zur Kündigung dar


Nach dem Amtsgericht ist die Kündigung wirksam. Das Gericht entschied, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machte. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es ausnahmsweise nicht.

Der vertragswidrige Gebrauch der Wohnung des Untermieters durch umfangreichen unerlaubten Anbau und Konsum von Cannabis stellt unter Abwägung der Interessen der Klägerin und Beklagten einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Hauptmietverhältnisses dar. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Untermieter der Beklagten das Mietobjekt planmäßig und vorsätzlich für die Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz benutzte. Zum einen räumte der Untermieter unstreitig den Drogenanbau im Rahmen des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens ein. Zum anderen geht aus dem Durchsuchungsbericht eindrücklich hervor, dassder Untermieter professionell und in erheblichen Mengen Rauschgift produzierte. 

Dem Mieter wird Verhalten des Untermieters zugerechnet


Darauf, dass die Straftat nicht der Beklagten, sondern ihrem Untermieter zur Last gelegt wird, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Denn gemäß § 540 Abs. 2 BGB muss sich die Beklagte das Verschulden ihres Untermieters zurechnen lassen. Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, dass der Untermieter wie ein Erfüllungsgehilfe des Hauptmieters i.S.d. § 278 BGB behandelt wird. Dies hat zur Folge, dass der Hauptmieter für das Verschulden des Untermieters genau wie für eigenes Verschulden haftet. 

Wenn der Mieter freiwillig die ihm anvertraute Sache im eigenen Interesse, gegebenenfalls gewinnbringend, einem selbst ausgewählten Dritten überlässt, trägt er das Risiko eines Fehlverhaltens des Dritten – auch wenn es sich hierbei um vorsätzliche Straftaten handelt. Denn eine Beschränkung der Haftung auf durch den Untermieter herbeigeführte Schäden, in denen sich das typische mietvertragliche Gebrauchsrisiko realisiert hat, sieht der Wortlaut des § 540 Abs. 2 BGB nicht vor. Der in der Norm verwendete Ausdruck "bei dem Gebrauch" bedeutet vielmehr, dass alle Aktivitäten umfasst sind, die der Untermieter in den ihm zwecks Aufenthalt überlassenen Räumen ausübt. Insofern steht der Cannabisanbau des Untermieters in unmittelbarem, innerem Zusammenhang mit der ihm von der Beklagten übertragenen Vertragserfüllung, wofür sie einzustehen hat.

Kündigungsgrund - Geruchsbelästigung, Rufschädigung, Störung des Hausfriedens


Neben dem zurechenbaren Verschulden der Beklagten ist im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung auch das berechtigte Interesse der Vermieterin zu berücksichtigen, ihre übrigen Mieter und insbesondere die im Haus wohnenden Kinder oder Jugendliche vor den Gefahren zu schützen, die vom Cannabisanbau in dem Mietobjekt ausgehen. Das Verhalten des Untermieters hat eine erhebliche negative Vorbildfunktion. Zwar beging der Untermieter die Straftaten heimlich und nicht etwa im allen Bewohnern zugänglichen Hausflur. Jedoch sind der Anbau und Konsum von Marihuana mit einem typischen, prägnanten Geruch verbunden, der von erheblichen Teilen der Bevölkerung identifiziert wird. Es ist bekannt, dass es sich anders als bei Tabak um eine vom Gesetz nicht tolerierte Droge handelt. Die wiederholte Wahrnehmung dieses Geruches in einem Haus hinterlässt bei Besuchern und Bewohnern den Eindruck, dass der Vermieter ein fortgesetztes gesetzeswidriges Verhalten duldet, was den Ruf des Hauses beschädigt. Diese Gefahr wurde durch die vom Untermieter verursachten Polizeieinsätze zusätzlich erhöht. Eine nicht unerhebliche Störung des Hausfrieden ist auch bereits eingetreten. Insbesondere hatte sich die Nachbarin unstreitig  beschwert, nachdem sie den Eindruck gehabt hatte, dass sie mehrfach, wenn auch nicht permanent, im Hausflur Marihuanageruch wahrgenommen habe.

Die Beklagte kann sich nicht zu ihren Gunsten darauf berufen, dass "der Stein des Anstoßes" durch den Auszug des Untermieters inzwischen beseitigt und der Kündigungsgrund im Nachhinein weggefallen sei. Hat der Mieter seine Verpflichtungen in solchem Maße schuldhaft verletzt, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann und macht der Vermieter von dem Recht Gebrauch, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen, so wird das Dauerschuldverhältnis mit dem Zugang der Kündigungserklärung beendet. Es verwandelt sich in ein Abwicklungsschuldverhältnis. Der Mieter schuldet mit Wirksamwerden der Kündigung die Räumung und Herausgabe. An dieser Gestaltungswirkung der Kündigung kann nachträgliches Wohlverhalten des Mieters nichts mehr ändern. Nichts anderes gilt für den Fall, dass dem Mieter das Verschulden seines Untermieters zugerechnet wird.  

Vorherige Abmahnung durch den Mieter nicht erforderlich

Eine bei Vertragsverletzungen aus dem Mietverhältnis gem. § 543 Abs. 3 BGB grundsätzlich erforderliche, erfolglose Abmahnung oder Fristsetzung zur Abhilfe ist nicht erfolgt. Sie war jedoch ausnahmsweise entbehrlich. Die sofortige Kündigung ohne Abmahnung war hier aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gem. § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB gerechtfertigt. Zu bedenken ist, dass eine Abmahnung immer nur sinnvoll ist, wenn eine Fortsetzung des Mietverhältnisses (bei Unterlassen des beanstandeten Verhaltens in der Zukunft) überhaupt noch in Betracht kommt. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn das durch den Mietvertrag begründete gegenseitige Vertrauensverhältnis bereits endgültig zerstört worden ist und auch durch vertragsgemäßes Verhalten in der Zukunft nicht mehr wiederhergestellt werden kann. Dies ist wegen des schweren Vertragsverstoßes der Beklagten anzunehmen, weil dadurch das Interesse der klagenden Vermieterin erheblich und offensichtlich verletzt worden und ihr Interesse an der Leistungserfüllung weggefallen ist.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, keine Kenntnis von dem schädigenden Verhalten gehabt zu haben und deshalb vorKündigung eine vorherige Abmahnung einfordern, um seinerseits dem Untermieter zu kündigen und ggf. durch einen neuen ersetzen zu dürfen. Andernfalls wäre die Konsequenz, dass der Vermieter bei jedem Untermieter zunächst ein schuldhaftes Verhalten hinnehmen und den Mieter dafür abmahnen müsste, während er einem Mieter, der die schwere Vertragsverletzung in persona begangen hat, sofort kündigen dürfte. Eine derartige Privilegierung eines Untermietverhältnisses ist vom Gesetz gerade nicht vorgesehen.

Doch selbst wenn man vertreten wollte, dass eine Abmahnung nur dann entbehrlich ist, wenn der Hauptmieter tatsächlich Kenntnis (oder zumindest fahrlässig Unkenntnis) von dem Fehlverhalten seines Untermieters hat, käme man hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn die Beklagte hatte nach Überzeugung des Gerichts Kenntnis von den in der Wohnung begangenen Straftaten. Zwar hat sie sowohl den Drogenkonsums als auch die Cannabiszucht ihres Untermieters mit Nichtwissen bestritten. Dieser Vortrag ist aber insofern lebensfremd und wenig glaubhaft, da sie vorträgt, die Wohnung weiter regelmäßig zu nutzen. Es ist höchst unwahrscheinlich und unglaubhaft, dass sie während ihrer Besuche keinerlei Anzeichen von Marihuana bemerkt haben will. 

Das permanente Betreiben einer größeren Cannabiszucht und das diverse, in der gesamten Wohnung verstreute Zubehör lassen sich kaum monatelang verheimlichen. Das gilt insbesondere hinsichtlich eines penetranten und leicht zu identifizierenden Marihuanageruchs, den sogar die Nachbarin außerhalb der streitgegenständlichen Wohnung wahrgenommen hat. Dass anlässlich eines mehrere Wochen zuvor angekündigten Ortstermins keine Anzeichen eines Anbaus von Marihuana zu erkennen waren, steht dem nicht entgegen. Nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall war die Abmahnung demnach entbehrlich.

Rechtsanwalt Mietrecht Lingen