Verkehrsrecht: Im Bußgeldverfahren ist dem Verteidiger auf dessen Verlangen hin Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung des genutzten Messgerätes zu gewähren

Nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Lüdinghausen vom 09.02.2012 (Aktenzeichen: 19 OWi 19/12) ist dem Verteiger auf dessen Verlangen hin auch Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung des genutzten Messgerätes zu gewähren.

Worüber hatte das Amtsgericht zu entschieden?

 

Gegen den Antragsteller ist bei dem Kreis C. ein Bußgeldverfahren wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften anhängig, wobei die dem Antragsteller zur Last gelegte gefahrene Geschwindigkeit mit dem Einseitensensor eso ES3.0 der Firma eso GmbH gemessen wurde, welcher von einem Polizeibeamten der Kreispolizeibehörde C. bedient wurde. Der Verteidiger des Antragstellers hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2011 u.a. Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung des Messgerätes beantragt und zwar im Hinblick auf die Entfernung des Verteidigerbüros zum Sitz der Kreispolizeibehörde durch Übersendung von Kopien. Die Kreispolizeibehörde hat dies - trotz der Bitte des Kreises C. um Übersendung der Unterlagen - abgelehnt unter Hinweis auf ein bestehendes Urheberrecht des Messgeräteherstellers und auf die Möglichkeit verwiesen, die Bedienungsanleitung bei dem Hersteller für 129 Euro zuzüglich Umsatzsteuer erwerben zu können. Eine kostenlose Weitergabe lehne die Firma eso ab. So hat der Kreis C. dem Verteidiger lediglich Einsicht in die teilweise vervollständigte Akte gewährt, nicht aber in die Bedienungsanleitung. Hiergegen ging der Verteidiger vor. Ohne die Gewährung von Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung könne deren Einhaltung bei der Messung und somit auch das Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens nicht geprüft werden.

Akteneinsichtrecht in Bedienungsanleitung zu Verteigung notwendig


Das Amtsgericht bejahte des Einsichtrecht des Verteidigers auch in die Bedienungsanleitung.Der Verteidiger des Antragstellers hat im Rahmen des Bußgeldverfahrens, das eine Geschwindigkeitsüberschreitung zum Gegenstand hat, nach §§ 46 OWiG, 147 StPO ein Recht auf Akteneinsicht in alle Unterlagen, die auch dem Gericht oder einem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden. Das Akteneinsichtsrecht im Ordnungswidrigkeitenverfahren umfasst nämlich alle Schriftstücke und Unterlagen, die für den Betroffenen als belastend oder entlastend von Bedeutung sein könnten. Zu den Unterlagen im Bußgeldverfahren in die hiernach Akteneinsicht zu gewähren ist, gehören sämtliche verfahrensbezogenen Unterlagen der Verwaltungsbehörde, die zu den Akten genommen werden und auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird. Dieses Recht umfasst damit auch entsprechend der mittlerweile wohl überwiegenden amtsgerichtlichen Rechtsprechung den Einblick in die Bedienungsanleitung des Gerätes, mit dem die Geschwindigkeitsmessung erfolgte, damit die richtige Bedienung und Aufstellung des Messgerätes nachvollzogen werden kann.

Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit und dient der Wahrung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen. Nur das Einsichtsrecht des Verteidigers in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes, ermöglicht es dem Verteidiger die Polizeibeamten, die die Messung vorgenommen haben, als Zeugen zu der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung zu befragen und die ordnungsgemäße Bedienung des Gerätes nachzuvollziehen und zu überprüfen.