Arbeitsrecht: Fristlose Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung
Der Tatbestand sogenannter "beharrlicher Arbeitsverweigerung" setzt in der Person des Arbeitnehmers dessen "intensive Weigerung" (Nachhaltigkeit) voraus. Von solcher "Nachhaltigkeit" kann im Zuge dialogischer Konfrontation über das (ggf. vermeintliche) Recht einer Verkäuferin, zum Verzehr eines Brötchens eine Pause einzulegen, keine Rede sein, solange die vom Arbeitgeber selber als "wutentbrannt" geschilderte Betroffene noch keine Möglichkeit hatte, zu besonnener Überlegung und Entschlussfassung zurückzukehren. So entschied das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 25.05.2012 (Aktenzeichen: 28 Ca 4449/12).
Worüber hatte das Arbeitsgericht zu entscheiden?
Die Klägerin trat mit dem 10. März 2011 als „Floristin“ in die Dienste der Beklagten, die mit weniger als zehn Arbeitspersonen in mehreren Ladengeschäften einen Blumenhandel betreibt. Herr E. ist innerhalb des Blumenhandels für Personalfragen bei der Beklagten tätig. Am 5. März 2012 kam es zwischen Herrn E. und der Klägerin (wohl) zu einem Eklat, der in die eingangs schon erwähnte Kündigung mündete. Die diesbezüglichen Darstellungen der Parteien vor Gericht unterscheiden sich freilich beträchtlich:
Die Beklagte lässt die Dinge durch ihren Anwalt so schildern:
„Der wichtige Grund für die fristlose Kündigung liegt in dem Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit am 05.03.2012 gegen 16:05 Uhr. Hintergrund war, dass der Mitarbeiter K. E. die Klägerin gegen 16:00 Uhr am 05.03.2012 zum wiederholten Mal im hinteren, nicht einsehbaren Raum des Blumengeschäfts hinter dem dortigen Vorhang stehend antraf, wie sie dabei war, Brötchen zu essen. Da die Klägerin am 05.03.2012 gegen 16:00 Uhr die einzige Floristin im Blumengeschäft war und das Geschäft somit unbeaufsichtigt, forderte der Zeuge E. die Klägerin auf, die Pause und das Essen zu beenden und sich wieder in den Verkaufsraum zu begeben. Der Mitarbeiter E. wies die Klägerin darauf hin, dass sie nicht ständig den Verkaufsbereich verlassen und sich in den hinteren Raum zurückziehen dürfe. Daraufhin erwiderte die Klägerin sinngemäß, dass sie sich das nicht bieten lassen müsse. Wutentbrannt entfernte die Klägerin ihre Arbeitsschürze, warf sie auf den Bindetisch mit den Worten: 'ich gehe jetzt'. Herr E. sagte der Klägerin sodann sinngemäß, sie dürfe die Arbeit nicht verlassen, wenn sie jetzt gehe, würde er fristlos kündigen. Die Klägerin erwiderte sinngemäß, das sei ihr egal“.
Demgegenüber lässt die Klägerin – gleichfalls durch Ihren Anwalt dies unterbreiten:
Nachdem die Klägerin am 05.03.2012 ihren Dienst etwa gegen 13:00 Uhr angetreten hatte, kam es gegen etwa 16:00 Uhr zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Ehemann der Beklagten und der Mitarbeiterin Frau A. B., welche die Klägerin schlichten wollte. Dies führte dann dazu, dass der Ehemann der Beklagten den Streit auf die schlichten wollende Klägerin mit dem Vorwurf erweiterte 'und Du isst den ganzen Tag!'. Hierzu gilt, dass im Betriebe der Beklagten überhaupt keine Pausenregelung besteht und selbst im hinteren Bereich keine Sitzmöglichkeit vorhanden ist, so dass u.a. auch die Klägerin lediglich zwischendurch und im Stehen bissweise etwas zu sich nehmen konnte, am fraglichen Tag im Übrigen erstmalig.
Als sich die Klägerin gegen den ihr gegenüber erhobenen Vorwurf verteidigen wollte – die Mitarbeiterin Frau B. befand sich vor dem Verkaufsraum, vom hinteren Bereich aus ist das Ladengeschäft überwiegend zu überblicken – ließ der Ehemann der Beklagten nicht ab und schrie seinen Ärger lauthals gegenüber der Klägerin aus. Daraufhin forderte die Klägerin ihn auf, sich doch zu mäßigen. Diese Diskussion spielte sich im Kassenbereich des Ladengeschäftes selbst ab. Dessen ungeachtet schrie der Ehemann die Klägerin weiter an, so dass sie ihn aufforderte, nunmehr mit dem Geschreie aufzuhören, da sie sich in einer solchen Atmosphäre nicht in der Lage sehe, ihre Arbeit fortzusetzen. Daraufhin erklärte der Ehemann der Beklagten, sie könne ja gehen, sie müsse nur noch die fristlose Kündigung unterschreiben. Eine Aufforderung, die Klägerin möge ihre Arbeitspflichten erfüllen, erfolgte seitens des Ehemannes der Beklagten jedenfalls nicht.
Mit ihrer bei Gericht eingereichten Kündigungsschutzklage
erstrebt sie die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis
durch die vorerwähnte Kündigung nicht beendet sei,
sondern „unbefristet“ fortbestehe.
Arbeitsgericht: Fristlose Kündigung ist unwirksam
Das Gericht gab der Klage statt.
Die fristlose Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit eines besonderen (hier sogenannten „wichtigen“) Grundes und darf – selbstverständlich – auch sonst nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen.
Diesen Anforderungen genügt die hiesige Kündigung indessen nicht. Die Klägerin hat der Beklagten in der Tat keinen Grund gegeben, ihr Arbeitsverhältnis – gar fristlos - aufzukündigen. Die Kündigung wäre schon nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG2828 „sozial gerechtfertigt“ und folglich aufgrund des § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Erst recht steht der Beklagten kein sogenannter „wichtiger“ Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zur Seite. Jedenfalls ließe sich eine kündigungsrelevante Sachlage anhand des Prozessvorbringens der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht feststellen:
Die Beklagte wäre hier schon nach der eigenen Geschehensversion ihres betrieblichen Sachwalters gehalten gewesen, die Klägerin erst einmal für einen Augenblick in Ruhe zu lassen, ehe die weiteren Fragen über ihre Präsenz im Verkaufsraum des Blumenladens geklärt werden konnten. Dies entspricht im Kern nicht nur dem aus dem Abmahnungsrecht bekannten Gebot, dem Adressaten eine „Umlernphase“ zuzubilligen, sondern auch der Einsicht, dass sich jede Intervention in auftretende Vertragsstörung zunächst einmal als potentiell rettendes Instrument zur Wiederherstellung gestörter Kooperation darstellen sollte. Kommt dergleichen – wie hier - zur Unzeit, weil der mit Angriffen auf seine persönliche und berufliche Selbstachtung konfrontierte Adressat nicht kooperieren kann, so ist die stattdessen per ultimativen Beziehungsabbruchs verhängte „Höchststrafe“ normativ diskreditiert.
RA Wißmann, Rechtsanwalt Lingen