Verkehrsrecht: Kein Anspruch aus Vollkaskoversicherung wegen Obliegenheitsverletzung (Unfallflucht).
Nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Uelzen vom 01.03.2012 (Aktenzeichen: 13 C 5381/11) ist eine Vollkaskoversicherung nicht zur Leistung gegenüber Ihrem Versichrungsnehmer verpflichtet, weil dieser sich von der Unfallstelle entfernte, ohne vorher alles zur Aufklärung des Schadensereignisses getan zu haben.
Sachverhalt: Verkehrsunfall mit Unfallflucht?
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung von Schadensersatz aus einem Vollkaskoversicherungsvertrag, welchen er, der Kläger, bei der Beklagten über sein Fahrzeug, mit dem es zu einem Unfall kam, abgeschlossen hatte. Der Kläger fuhr etwas zu schnell in einen Kreuzungsbereich ein und rutschte dabei über den Kreuzungsbereich hinaus in Folge Straßenglätte auf den Gehweg und dort gegen einen Stromverteilerkasten. Dieser wurde dadurch beschädigt. Der Kläger hielt nicht an der Unfallstelle, sondern fuhr die Zeugin zu ihrem Arbeitsplatz und ging dabei davon aus, dass ihn eine Wartepflicht nur treffen würde, wenn ein Personenschaden vorliege. Dies war jedoch nicht der Fall. Danach fuhr der Kläger zu seiner Dienststelle. Erst später im Verlauf des Tages gegen Abend meldete er den Unfall bei der Polizei.
Der Kläger trägt vor, er habe nicht vorgehabt, sich der Haftung für den Unfall zu entziehen. Er habe die Zeugin pp. deswegen zu ihrer Arbeitsstelle gefahren, weil es sich um ihren ersten Arbeitstag gehandelt habe und sie nicht habe zu spät kommen sollen. Darüber hinaus sei der Unfall von zahlreichen Passanten beobachtet worden, weswegen er, der Kläger, nicht habe davon ausgehen können, dass er unerkannt entkommen könnte. Als er dann auf seiner Dienststelle seinem Hauptmann und Kompaniechef pp. von dem Vorfall berichtet habe, habe dieser den Kläger darauf hingewiesen, dass er eigentlich sofort hätte den Unfall polizeilich melden müssen. Daraufhin habe er gegen 8.00 Uhr auf dem Polizeikommissariat angerufen und den Verkehrsunfall gemeldet. Es sei vereinbart worden, dass der Kläger nach Dienstschluss zur Polizeiwache kommen solle. Entsprechend der getroffenen Vereinbarung sei er dann auch nach Dienstschluss zur Polizei gefahren und habe sein Fahrzeug dort zur Schadensfeststellung vorgestellt. Er habe demzufolge auch die erforderlichen Angaben bei der Polizei gemacht.
Sie trägt vor, aufgrund der von dem Kläger begangenen Obliegenheitspflichtverletzung sei sie leistungsfrei geworden, nachdem der Kläger die ihm obliegende Wartepflicht und die damit einhergehende Aufklärungspflicht dadurch verletzt habe, dass er den Unfallort verlassen habe und somit eine Feststellung seiner Verantwortlichkeit für die entstandenen Schäden verhindert habe. Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger auch vorsätzlich gehandelt habe, komme eine Haftung der Beklagten für den von dem Kläger geltend gemachten Schaden im Rahmen der Vollkaskoversicherung nicht in Betracht.
Das Gericht stellte eine Obliegenheitsverletzung fest
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Dem Kläger steht damit ein Anspruch auf Ersatz aus der von ihm bei der Beklagten abgeschlossenen Vollkaskoversicherung im Hinblick auf den durch den Unfall an seinem Pkw entstandenen Schaden nicht zu. Vielmehr ist dem Kläger eine Obliegenheitspflichtverletzung vorzuwerfen, die dieser vorsätzlich begangen hat, indem er sich von der Unfallstelle entfernte, ohne vorher alles zur Aufklärung des Schadensereignisses Dienende zu tun.
Die im obliegende Wartepflicht hat er nicht eingehalten und nicht dazu beigetragen, dass es der Beklagten ermöglicht wird, die tatsächlichen Umstände des Unfalles, z. B. ob der Kläger infolge Eis- und Straßenglätte gegen den Stromkasten gerutscht ist oder möglicherweise infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit, zu klären. Hierzu hätte er jedoch ausreichend Anlass gehabt.
Derjenige, der einen Unfall verursacht, weiß, dass ihn eine Wartepflicht trifft und er verpflichtet ist, alles Notwendige zu veranlassen, um zur Aufklärung des Sachverhalts und seiner Beteiligung an dem Unfall beizutragen. Diese Pflichtverletzung von Seiten des Klägers ist nicht nur vorsätzlich, sondern auch arglistig erfolgt, so dass in jedem Fall eine Leistungsfreiheit der Beklagten eingetreten ist.
Das Verlassen der Unfallstelle schränkt die Möglichkeit des Versicherers ein, Feststellungen zu treffen, die zur Aufklärung des Sachverhaltes oder zur Minderung des Schadens dienlich sein könnten und stellt deshalb selbst bei eindeutiger Haftungslage ein vertragswidriges Verhalten des Versicherungsnehmers dar, welches dem Verschweigen maßgeblicher Umstände durch den Versicherungsnehmer gleichgesetzt werden kann. Dieses Verhalten ist als arglistig einzustufen, wenn dem Versicherungsnehmer bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Dabei ist eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers nicht erforderlich. Fahrerflucht ist deswegen als arglistig einzustufen, denn sie ist potentiell geeignet, die Aufklärung des Tatbestandes und die Ermittlung des Haftungsumfangs der Versicherung nachteilig zu beeinflussen.