Geschwindigkeitsüberschreitung: Vorsatz oder Fahrlässigkeit?

Innerhalb eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens hängt die Höhe des Bußgeldes oftmals davon ab, ob die Bußgelbehörde bei dem Tempoverstoß Vorsatz oder Fahrlässigkeit annimmt. Da insoweit natürlich Umstände erfragt werden, die nur der Betroffene selbst beantworten kann, versucht die Bußgeldbehörde / der Bußgeldbehörde dies anhand von äußeren Tatsachen festzumachen.

Klar ist, dass Vorsatz angenommen wird, wenn der Betroffene sich gegenüber der Bußgeldbehörde bzw. vor dem Gericht  entprechend einlässt. So kann es schon ein Fehler sein, wenn der Betoffene angibt, dass er es eilig hatte oder als Grund für sein schnelles Fahren Zeitnot angibt. Dies lässt nämlich den Schluss zu, dass er aufgrund der Eile extra aufs Gas drückte.

Doch was ist, wenn sich der Betroffene zu den motiven seiner Geschwindigkeitsüberschreitung nicht äußert? Dann kann ein vorsätzliches Handeln nur  vermutet werden. Anhaltspunkte für eine entsprechende Vermutung können z. B. die

  • Ortskenntnis des Betroffenen sein 

  • und der Umstand, dass dieser vor einer Messstelle abgebremst hat 

  • sowie insbesondere aber auch das Maß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. 

Gerade der letzte Umstand wird von Tatgerichten gern angeführt, um allein daraus auf eine vorsätzliche Begehungsweise zu schließen.

Teilweise haben manche Gerichte auch eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung bejaht, wenn der Betroffene aufgrund der Bebauung am Straßenrand wissen musste, dass er innerorts fährt,  gleichwohl aber deutlich über der erlaubten Geschwindigkeit fährt. 

Hieran sind aber strenge Voraussetzungen geknüpft, wie das Urteil des OLG Zweibrücken vom 14.01.2011 zeigt.

Hier befuhr der Betroffene mit seinem Pkw die B9 in Richtung Frankenthal mit einer Geschwindigkeit von 129 km/h, nach Toleranzabzug 125 km/h, außerhalb geschlossener Ortschaften, obwohl die Geschwindigkeit auf 80 km/h beschränkt war. Die Messung der Geschwindigkeit wurde mit dem mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsgerät PoliScan Speed der Firma Vitronic

Das OLG hob die Entscheidung des Amtgerichtes mit folgender Begründung auf:

Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Überschreitung nicht. Das angefochtene Urteil führt zur inneren Tatseite lediglich aus, der Betroffene sei unaufmerksam gewesen und habe das beidseitig aufgestellte Verkehrsschild, das die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h beschränkt hatte, nicht bemerkt. Von vorsätzlicher Tatbegehung sei auszugehen, selbst wenn der Betroffene die Beschilderung der Geschwindigkeitsbeschränkung – wie vorgetragen – nicht wahrgenommen habe. Bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 50 % sei regelmäßig von einer vorsätzlichen Handlungsweise des Fahrzeugführers auszugehen. Um ausnahmsweise nur Fahrlässigkeit annehmen zu können, seien besondere Umstände darzulegen. Der Vortrag des Verteidigers, der Betroffene habe aus Unachtsamkeit die Beschilderung der Geschwindigkeitsbeschränkung nicht wahrgenommen, reiche für die Annahme derartiger besonderer Umstände nicht aus.

Die Erwägungen des Amtsgerichts vermögen die Einlassung des Betroffenen, er habe die Verkehrsschilder aus Unachtsamkeit nicht wahrgenommen, nicht zu widerlegen. Zwar wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung bei einer erheblichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein vorsätzliches Handeln des Fahrzeugführers angenommen. Dies setzt aber voraus, dass der Täter sich der im Einzelfall höchstzulässigen Geschwindigkeit bewusst ist. Kennt er sie nicht und geht er unter Umständen von einer höheren zulässigen Geschwindigkeit aus, welche die Differenz der festgestellten und der vermeintlichen Höchstgeschwindigkeit gering erscheinen lässt, oder geht er von einer unbeschränkten Geschwindigkeit aus, so kann Fahrlässigkeit gegeben sein. Außerhalb geschlossener Ortschaften ist für Pkw die zulässige Geschwindigkeit gesetzlich auf 100 km/h festgelegt. Diese Kenntnis kann vom Kraftfahrer erwartet werden. Auf Autobahnen oder autobahnähnlich ausgebauten Straßen unterliegt außerorts die Geschwindigkeit hingegen keinerlei Beschränkungen. Dem Senat ist bekannt, dass es sich bei der Tatörtlichkeit um eine autobahnähnlich ausgebaute Straße, die zwei durch Fahrstreifenbegrenzung markierte Fahrstreifen für jede Richtung aufweist, handelt. Eine gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit gilt somit nicht. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit  ist vielmehr durch Geschwindigkeitszeichen 274 auf 80 km/h beschränkt. Dass der Betroffene die Geschwindigkeitsbeschränkung wahrgenommen hat oder ihren Inhalt kannte, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden. Es kann daher nicht nachvollzogen werden, dass der Betroffene vorsätzlich gehandelt haben muss, wenn er die zulässige Geschwindigkeit zwar um mindestens 45 km/h überschritten hat, aber offen ist, ob er die bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung kannte. Wegen des aufgezeigten Begründungsmangels ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (...)